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Innovation trifft Nostalgie

Ein Blick auf die Uhrentrends 2021: Von der Patek Philippe Nautilus über den Vintageboom bis zu nachhaltigen Uhren – jetzt sogar mit Solarantrieb.

VON HOLGER CHRISTMANN
4. August 2021
Vielbeachtete Innovation: Cartier Tank Must SolarBeat mit Solarantrieb. Foto: Cartier

Nach einem Jahr Ausnahmezustand freuten sich Uhrenfans, auf der Messe Watches and Wonders endlich wieder Uhren sehen zu können. Neben den Flaggschiffen des Luxuskonzerns Richemont, der die Messe ausrichtet, wie Cartier, IWC Schaffhausen und A. Lange & Söhne und langjährigen Partnern der Richemont-Messe wie Hermès nahmen auch einstige Baselworld-Aussteller wie Rolex, Patek Philippe und Chopard auf der prestigeträchtigen Genfer Messe teil. Wobei von „Ausstellen“ nur bedingt die Rede sein konnte, da das Event wegen der Coronapandemie nur online stattfand. Welche Trends zeichneten sich ab?

Den ersten Akzent setzte Patek Philippe mit der Ankündigung, die Edelstahlversion der Nautilus, das Modell 5711, einzustellen. Die Nautilus ist das beliebteste Modell der Genfer Manufaktur, und Außenstehende könnten sich fragen, warum ein Hersteller seinen Bestseller aus dem Sortiment nimmt. Den Grund nannte Patek-Philippe-Chef Thierry Stern gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Er erklärte, er wolle nicht, dass ein einziges Modell „plötzlich 50 Prozent oder mehr unserer Kollektion ausmacht und das Image von Patek dominiert“. Es sei ihm wichtig, „bei den Materialien die Balance zu halten und auch Uhren herzustellen, die in Gold oder Platin überzeugen“. Ohnehin war es für Normalsterbliche nahezu unmöglich, in den Besitz einer Patek Nautilus in Edelstahl zu gelangen, deren Listenpreis aktuell 30 097 Euro beträgt. Mit dem Stahlmodell belohnten die Genfer Manufaktur und ihre Vertragshändler fast ausschließlich langjährige Kunden. Auf dem Sekundärmarkt wurde der Gérald-Genta-Klassiker zum Doppelten und Dreifachen des offiziellen Preises gehandelt. Durch die angekündigte Verknappung schnellte ihr Marktwert gleich nochmal in die Höhe. Auf einer Auktion von Antiquorum wechselte eine brandneue Nautilus am 21. Juli für 416 000 Euro inklusive Aufgeld den Besitzer.

Hublot Big Bang Unico Yellow Magic, 42 mm. Keramik in intensiv leuchtenden Farben herzustellen, verlangt ein anspruchsvolles Produktionsverfahren. Die Pigmente müssen chemisch so zusammengesetzt sein, dass sie beim Erhitzen nicht zerstört werden oder verblassen. Foto: Hublot

Auch Rolex erlebte in den letzten Jahren einen Run auf seine sportlichen Luxusuhren in Edelstahl wie die Daytona und die GMT Master II. Und auch die Marke mit der Krone scheint nun vorsichtig auf die Bremse zu treten. Die neue Explorer werde „vor allem“ in Bicolor (Rolesor-Gelbgold und Edelstahl) angeboten, heißt es (es gibt sie aber auch im Rolex-typischen Oystersteel). Klar ist: Patek und Rolex möchten mehr Aufmerksamkeit für ihre Edelmetall-Zeitmesser und den Hype um die Stahluhren eindämmen. Andere Hersteller hatten ihr Portfolio zuletzt um extravagante Stahluhren erweitert: Chopard mit der Alpine Eagle, A. Lange & Söhne mit der Odysseus. Piaget stellte auf der Watches and Wonders die sehr ansehnliche Polo Skeleton vor. Wer eine tolle Luxusuhr in Edelstahl sucht, der hat also mehr denn je die Wahl.

Schon seit einigen Jahren liegt die Wiederbelebung historischer Designs im Trend. Luxusmarken nehmen das zum Anlass, ungewöhnliche Modelle wiederzuentdecken: Vacheron Constantin legt zum hundertsten Geburtstag seiner American die limitierte Historiques American 1921 auf. Cartier lanciert eine ganze Palette historischer Neuauflagen: von der Sammleredition der Collection Privé Cloche de Cartier über die Tank Louis Cartier bis zu limitierten Editionen der Santos-Dumont. Jaeger-LeCoultre erinnert mit der Reverso Tribute Small Seconds in Grün an farbenfrohe Modelle der 1930er Jahre. Die Manufaktur aus dem Vallée de Joux war eine der ersten, die bunte Zifferblätter produzierte. Zum Heritage-Trend kann man auch die neue Omega Speemaster Moonwatch Co-Axial Master Chronometer zählen, die sich in Details wie dem Step Dial und dem asymmetrischen Gehäuse der Original-Moonwatch der Apollo-11-Mission von 1969 annähert. Das Design begeistert alle, die in der Geschichte der Moonwatch die feinen Unterschiede kennen.

Trendfarbe Grün: Rolex Datejust 36 mit Palmenmuster auf dem Zifferblatt. Foto: Rolex

Der amerikanische Kollege Jack Forster vom Internet-Magazin Hodinkee fragte sich, ob so viel Nostalgie ein Ausdruck mangelnder Kreativität oder gar ein Krisensymptom sei. Vielleicht muss man die Sache aber anders betrachten: Autodesigner wären froh, wenn sie Roadster mit den rassigen Karosserien der 1960er Jahre nachbauen könnten – ausgestattet mit neuester Technik. Uhren-Designer können uns diesen Mix aus Nostalgie und Hightech erfüllen.

Wenn Uhrenmarken ihre Innovationskraft zeigen wollen, präsentieren sie neue Uhrwerke oder neue Werkstoffe. Auf die Spitze treibt das 2021 Hublot: Die Hublot Big Bang Integral Tourbillon Full Sapphire ist die erste Uhr mit einem kompletten Gehäuse aus synthetischem Saphirglas und einem Armband aus dem transparenten Material. Mit der Big Bang Unico Yellow Magic präsentiert die Marke die erste leuchtend gelbe Keramik. Ihre Herstellung ist kompliziert, da die Farbpigmente mit der flüssigen Keramik auf extrem hohe Temperaturen erhitzt werden müssen, ohne dabei zerstört zu werden und zu verblassen. Hublot ist das Kunststück einer intensiv leuchtenden Farbe jetzt zum dritten Mal gelungen. Die ersten Erfolge waren die Unico Red Magic und Unico Blue Magic. Auch beim Gehäuse beweisen die Hersteller Einfallsreichtum. So überrascht Omega 2021 mit einer Seamaster in Bronzegold, einem Werkstoff, der anders als reine Bronze nur „sehr langsam“ Patina ansetzen soll. Tudor hingegen entdeckt mit Silber ein eher empfindliches Material aus der Ära der Taschenuhren wieder. Die Silberlegierung der Taucheruhr Black Bay Fifty-Eight soll jedoch besonders geschützt sein. Es steht also nicht zu befürchten, dass es ähnlich schnell anläuft wie das Tafelsilber im Wohnzimmerschrank.

Jaeger-LeCoultre gehörte in den 1930er Jahren zu den ersten Marken, die Uhren mit farbigen Zifferblättern anboten: Die Reverso Tribute Small Seconds in Grün ist eine Hommage an diese Epoche. Foto: JLC

Grün ist die Trendfarbe des Jahres – abzulesen an der erwähnten Reverso in Grün, der Patek Nautilus in Olivgrün und der Rolex Datejust 36 mit grünem Palmenmuster auf dem Zifferblatt. Grüner werden die Uhren auch im übertragenen Sinn. Panerai positioniert sich gerade als Zukunftslabor für neue Ideen und präsentierte auf der Watches and Wonders die Konzept-Taucheruhr Submersible eLAB-ID. Gehäuse, Sandwich-Zifferblatt und Brücken bestehen aus EcoTitanium, einer recycelten Titanlegierung. Die Submersible eLAB-ID will auch die erste Uhr sein, deren Zifferblatt und Zeiger mit hundert Prozent recyceltem Superluminova beschichtet sind, während die Hemmung des Uhrwerks aus hundert Prozent recyceltem Silizium besteht. Die erwünschte Botschaft ist klar. Panerai ist seinen Mitbewerbern in puncto Nachhaltigkeit voraus. Allerdings handelt es sich bei der PAM 1225 um eine Pilotuhr, von der nur dreißig Stück verkauft werden und deren Stückpreis 60 000 Dollar betragen soll.

Dass Umweltbewusstsein nicht teuer sein muss, zeigt Cartier mit der Tank Must SolarBeat. Die Tank Must stammt aus den 1970er Jahren und wurde mit erfrischend farbigen Zifferblättern zur Pop-Ikone. Ab 2021 gibt es das Modell mit Photovoltaik-Uhrwerk. Die Photovoltaikzellen unter dem Zifferblatt erhalten ihre Energie durch unsichtbare Perforierungen in den römischen Ziffern. Die Tank Muse SolarBeat ist ab September erhältlich und soll rund zweieinhalbtausend Euro kosten.

© Holger Christmann

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