Wein

Supertoskaner auf dem Hügel des Lucullus

Vor dreißig Jahren taten sich Vittorio Frescobaldi und Robert Mondavi zusammen, um in Montalcino einen Wein zu erzeugen, wie es ihn in der traditionsbewussten Heimat des Brunello noch nicht gab. Der Luce della Vite zählt heute zu den klangvollen Namen in der Welt der Supertoskaner. Jetzt feierte das Weingut seinen runden Geburtstag und lud zur Verkostung ausgewählter Jahrgänge nach Rom.

VON HOLGER CHRISTMANN
12. Mai 2025

Die Schönheit Roms ist auf der Dachterrasse des Hotels Eden allgegenwärtig. Foto: Thilo Weimar

Die Aussicht von der Dachterrasse des Hotels Eden in Rom verzauberte schon Stars wie Audrey Hepburn, Janes Fonda. Die amerikanische Schauspielerin Lily Collins genoss den Ausblick in der vierten Staffel der Netflix-Serie Emily In Paris. Vom Palatin über das Kapitol bis zu Santa Trinità dei Monti und zum Petersdom reicht das Panorama. Während die Stadt zu Füßen des Luxushotels im Heiligen Jahr von lärmenden Touristen und Pilgerscharen beherrscht wird, herrscht hier oben auf dem Pincio erhabene Ruhe. Das Luxushotel liegt zwischen Piazza di Spagna und via Veneto. Im Barock errichteten Adlige und Kardinäle in diesem Viertel prächtige Anwesen wie die Villa Malta und die sagenumwobene Villa Buoncompagni-Ludovisi. Der Hügel war aber schon vor der Zeit des Römischen Kaiserreichs ein privilegierter Ort. Der Senator, Feldherr und Gourmet Lucullus ließ sich hier die prunkvollsten Gärten Roms anlegen. Das Weingut Tenuta Luce hatte also einen genussfreundlichen Ort gewählt, um seinen 30. Geburtstag in der Hauptstadt Italiens zu feiern.

Schon Audrey Hepburn und Jane Fonda schwärmten von diesem Ausblick: Im Hintergrund ragen die zwei Türme der Kirche Santa Trinità dei Monti und der Petersdom aus der Dachlandschaft Roms heraus. Foto: Thilo Weimar

Vittorio Frescobaldi, Spross der Florentiner Adels- und Weinherstellerdynastie, und der amerikanische Weinpionier Robert Mondavi hoben das Weingut Anfang der neunziger Jahre aus der Taufe. Ziel war es, einen Wein hervorzubringen, der internationale Maßstäbe setzt. In den neunziger Jahren kannten Weinliebhaber unter den Weinen aus der Toskana längst nicht mehr nur den Chianti Classico oder den Brunello di Montalcino. Sie waren auch mit den Supertoskanern vertraut – vollmundigen, komplexen Spitzenweinen aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot und Syrah, Cuvéss, die eigentlich für die Bordeaux-Region typisch sind. Ihre Anbauregion ist vor allem die Gemeinde Bolgheri südlich von Livorno. Aber auch im Herzen des Chianti-Classico-Gebiet oder – wie im Fall der Tenuta Luce – mitten im Anbaugebiet des Brunello di Montalcino werden Supertoskaner produziert. Dass sie nicht das DOCG-Siegel tragen dürfen, welches einen Mindestanteil der heimischen Rebsorte Sangiovese vorsieht, verhinderte nicht den internationalen Durchbruch dieser Spitzenweine.

Abweichler in der Heimat des Brunello

Mit dem Luce della Vite (Licht des Rebstocks) erweiterten die Marchesi Frescobaldi und ihr kalifornischer Partner das Repertoire der Supertoskaner um eine Cuvée aus Sangiovese und Merlot. Als idealen Standort für das Joint Venture identifizierten die Geschäftspartner die Hügel südwestlich von Montalcino. Sie liegen in direkter Nachbarschaft zu Castelgiocondo, wo die Marchesi Frescobaldi bereits ihren Brunello di Montalcino erzeugen. Symbol des Luce ist das zwölfzüngige Sonnensymbol vom Hochaltar der Kirche Santo Spirito in Florenz. In dem Viertel haben die Frescobaldi ihren historischen Stammsitz. Den Renaissancebau des Architekten Filippo Brunelleschi, der auch die Kuppel des Florentiner Doms entwarf, haben die Ahnen der Frescobaldi mitfinanziert. Die Mondavi-Familie hingegen verabschiedete sich 2004 aus finanziellen Gründen von der Tenuta Luce. Seither kontrolliert Frescobaldi das Weingut allein. Es wird heute von Lamberto Frescobaldi geführt.

Bild oben: Zwischen Vittorio Frescobaldi und Robert Mondavi, Amerikaner mit italienischen Wurzeln, bestand große wechselseitige Wertschätzung. Anfang der neunziger Jahre beschlossen sie, gemeinsam den Supertoskaner Luce zu produzieren. Nachdem die Robert Mondavi Winery von dem Spirituosenkonzern Constellation Brands übernommen worden war, schied Mondavi aus dem Joint Venture aus. Seit 2005 leitet Lamberto Frescobaldi die Tenuta Luce (Bild unten). Fotos: Tenuta Luce

92 Hektar bewirtschaftet die Tenuta Luce heute in diesem wilden Teil des Val d’Orcia. Davon sind 37 Hektar dem Sangiovese, 52 dem Merlot gewidmet. Die Assemblage des Flaggschiff-Weins Luce della Vite besteht je zur Hälfte aus den beiden Rebsorten. Der zusätzliche Merlot wird für den Zweitwein Lucente produziert, einen reinen Merlot.

Das Weingut ist eines der höchstgelegenen in der Toskana. Die niedrigen Temperaturen in dieser Höhe, helfen, die Trauben ausreifen zu lassen und Weine von großer Konzentration zu erzeugen. Die Sangiovese-Reben für den Luce werden auf den höheren, kalkschieferhaltigen Lagen angebaut, während der Merlot auf den tiefergelegenen Parzellen gedeiht, die einen höheren Lehmanteil aufweisen und mehr Wasser speichern.

Der Luce ist vollmundig, strukturiert und konzentriert – ganz so, wie es international gefragt ist

Beim Walk-Around-Tasting mit anschließendem Flying Lunch konnten die Gäste die Jahrgänge 1995, 2001, 2012, 2015, 2019, 2022 verkosten. Die frühen Jahrgänge des Luce della Vite haben heute eine fast violette Farbe, sie überzeugen durch ihre Eleganz, Aromen von Brombeeren, Johannisbeeren und Pflaume, gute Balance und feine Tannine, die dem Wein Struktur geben. Ab 2001 erhöhte die Tenuta die Ausbaudauer in Barrique stufenweise von 12 auf 24 Monate. Die neueren Jahrgänge bestechen durch ein undurchdringliches Purpurrot sowie Duft und Geschmacksnoten zwischen Johannisbeere und Brombeere bis hin zu Himbeeren, süßen Gewürzen und Gewürznelken. Uns gefielen besonders die Jahrgänge 2012, 2015 und 2019. Sie zeigen den Luce auf dem Gipfel seiner Kraft. Der Jahrgang 2012 überzeugt durch ein komplexes und tiefes Bouquet, überwältigenden Aromenreichtum und seidige Eleganz. Der Jahrgang 2019 begeistert in der Nase durch süße Gewürze und am Gaumen durch Vollmundigkeit, Aromen von Schwarzkirsche und Pflaume sowie durch seine gute Struktur und Cremigkeit. Als Essensbegleiter passt der Luce perfekt zu gegrilltem oder geschmortem Fleisch, etwa zu Bistecca alle Fiorentina oder Lamm. Man kann ihn allerdings auch einfach nur pur genießen. 

Bei einem Walk-Around-Tasting im Hotel Eden in Rom hatten Journalisten und Gastronomen die Gelegenheit, sechs herausragende Jahrgänge aus 30 Jahren Tenuta Luce zu verkosten. Foto: Thilo Weimar

Manche haben kurz vor ihrem 30. Geburtstag ihre erste Lebenskrise. Davon kann beim Luce della Vite keine Rede sein. Auch wenn die Umstände schon besser waren. Alessandro Marini, Kellermeister und kreativer Kopf hinter dem Luce della Vite, bekennt, dass ihm Wetterextreme wie der Kälteeinbruch im September 2024 und die sintflutartigen Regenfälle der letzten Wochen Sorgen bereiten. Er hofft, auf einen ruhigen, trockenen Sommer. 

Die Schonfrist im Zollkonflikt mit Donald Trump sorgt für Erleichterung

Ein Gesprächsthema sind auch die Drohungen des amerikanischen Präsidenten und Abstinenzlers Donald Trump mit hochprozentigen Zöllen. Nach dem italienischen und dem asiatischen Markt, insbesondere Japan, ist der nordamerikanische Markt der drittwichtigste für den Supertoskaner aus Montalcino, wobei die Vereinigten Staaten und Kanada laut Marketingchef Andrea Orsini Scataglini ähnliches Gewicht haben. Lamberto Frescobaldi hatte in einem Interview mit dem Corriere della Sera im April vor einer schweren Krise des italienischen Weins gewarnt, falls Trump seine Maximaldrohung wahrmacht. Vorerst hat der Deal-Maker aus dem Weißen Haus die angekündigten massiven Zölle in Höhe von 200 Prozent bis Juli ausgesetzt. Die Weinwelt hofft auf das Geschick der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Umgang mit Donald Trump. Die Lage habe sich etwas beruhigt, stellt Alessandro Marini erleichtert fest.

FEATURE-Herausgeber Holger Christmann, Andrea Orsini Scataglini, Kommunikationsdirektor von Frescobaldi Wines. Foto: FEATURE

So kann die Tenuta Luce ihren 30. Geburtstag halbwegs unbeschwert feiern. Line Extensions wie der Luce Brunello di Montalcino und der Lux Vitis (eine Komposition aus Cabernet Sauvignon und Sangiovese) zeigen, dass Lamberto Frescobaldi und sein Team weiterhin von dem Pioniergeist beseelt sind, der einst in der Heimat des Brunello zur Erfindung eines Supertoskaners führte.

Mehr Infos finden Sie hier. 

© Holger Christmann/FEATURE