Baume & Mercier

David Chaumet: „Baume ist unsere
Plattform für Kreativität“

Baume & Mercier gehört derzeit zu den innovativsten Schweizer Uhrenmarken. Im Interview erklärt CEO David Chaumet, wie er das Profil der Marke stärkt, wie er mit der Riviera eine Ikone aus den Siebzigern wiederentdeckte und welche Rolle die junge Kollektion Baume im Portfolio spielt.

VON HOLGER CHRISTMANN
20. Januar 2022
Wechselte 2019 von Roger Dubuis zu Baume & Mercier: CEO David Chaumet. Foto: B&M

Ein Name, der in den letzten Jahren immer wieder mit Uhreninnovationen für Aufsehen sorgte, ist Baume & Mercier. 2018 stellte die Schweizer Marke mit dem griechischen Buchstabe Phi im Logo ein neuartiges Automatikkaliber mit stolzen fünf Tagen Gangreserve vor, das Baumatic BM 12-1975 A. 2021 belebte die Genfer Manufaktur einen attraktiven Klassiker aus den siebziger Jahren wieder – die Edelstahl-Luxusuhr Riviera, deren markantes Merkmal ihre zwölfeckige Lünette ist. 

Mit solchen Bravourstücken knüpft der Schweizer Hersteller, der zum Luxuskonzern Richemont gehört, an glorreiche Zeiten an. Baume & Mercier war schon im neunzehnten Jahrhundert ein Name mit Prestige. Die Marke ist älter als Patek Philippe und Omega. 1830 gründeten die Brüder Louis-Victor und Célestin Baume in dem Dorf Les Bois im Schweizer Jura ihr Uhrenatelier. Ihre Ansprüche waren hochgesteckt. „Nur Perfektion, nur Manufakturuhren der höchsten Qualität“ wollten sie herstellen und verkaufen. Ihr Geschäft wuchs schnell. 

William Baume und Paul Mercier schlossen sich 1918 zu Baume & Mercier zusammen. Fotos: B&M

Die Baume Brothers eröffneten eine Niederlassung in London, verkauften erfolgreich Uhren in Übersee und heimsten für ihre Chronographen und Großen Komplikationen internationale Preise ein. 1918 schloss sich William Baume mit dem schillernden Paul Mercier zusammen, einem Verkaufsgenie und Kunstliebhaber. Merciers Vater war ein zaristischer Offizier, seine Mutter, deren Nachnamen er annahm, Französin. Aus Baume wurde Baume & Mercier. Pragmatismus und Ästhetik wurden die Leitlinien der Marke, die Kunden weltweit mit ihren Art-Déco-Uhren begeisterte. Immer wieder folgten große Würfe: die Riviera (1973), die kurz vor der ebenfalls polygonalen Royal Oak, aber noch vor Pateks Nautilus auf den Markt kam und somit Pioniercharakter besaß, die vom Art-Déco inspirierte rechteckige Hampton (1994) und die elegante, runde Clifton (2013). 2018 lancierte Baume & Mercier die Zweitmarke Baume, die auf kreatives Design, junge Themen und Nachhaltigkeit setzt.

Starkes Statement am Handgelenk: die Riviera von Baume & Mercier. Mit der Royal Oak und Pateks Nautilus gehörte sie in den siebziger Jahren zu den ersten polygonalen Luxusuhren in Edelstahl. Foto: Imagie

Seit 2019 ist David Chaumet, zuvor Repräsentant von Roger Dubuis in Asien, CEO des Unternehmens. Er lancierte 2021 die modernisierte Riviera. Im Interview mit FEATURE berichtet er, wie es zur Rückkehr des Klassikers kam, wie er sich die Modellpolitik von Baume & Mercier vorstellt und welche Rolle die junge Kollektion Baume darin spielen wird. 

FEATURE: In der aktuellen Kollektion feiert die Riviera ihr Comeback, eine Edelstahluhr mit zwölfeckiger Lünette, die 1973 erstmals auf den Markt kam. Wie geschah diese Wiederentdeckung, nachdem es über zehn Jahre eher still um das Modell geworden war?

David Chaumet: Als ich 2019 bei Baume & Mercier einstieg, befasste ich mich intensiv mit der Geschichte der Marke und ihren Kollektionen. Ich ließ mir alle Modelle der letzten Jahrzehnte zeigen. Bei der Gelegenheit sah ich die Riviera zum ersten Mal. Die Qualität und das besondere Design der Uhr beeindruckten mich. Und ihr Name ist phantastisch. Er vermittelt Spaß und Freude. Als ich mich mit unseren weltweiten Partnern traf, fühlte ich mich bestätigt. Es gab in der Runde niemanden, der sich nicht eine Wiederbelebung der Riviera wünschte. Ich bat unser Team, das Modell zu überarbeiten. Diese Entscheidung fiel einen Monat, nachdem ich bei Baume & Mercier angefangen hatte.

„Wir werden das
Baumatic-Kaliber
weiterentwickeln“

FEATURE: Welche Rolle spielte bei der Wiedereinführung der Riviera die große Nachfrage nach Designikonen in Edelstahl wie der begehrten Royal Oak? 

David Chaumet: Die spielte keine allzu große Rolle. Wichtiger war es, mit den Wurzeln der eigenen Marke verbunden zu sein. Da die Riviera seit 1973 ein Symbol von Baume & Mercier ist, war es nur natürlich, sich um diese Kollektion zu kümmern. Aber selbstverständlich sehen wir die Nachfrage nach eleganten Edelstahluhren mit Casual Chic, Uhren, die man in der Woche oder im Büro genauso tragen kann wie am Wochenende. Die Riviera passt genau in diesen Trend.

Das hochgelobte und fein dekorierte Baumatic-Kaliber arbeitet jetzt auch in der Riviera. Sein Debüt feierte es 2018 in der Clifton Baumatic. Foto: B&M

FEATURE: Trifft der Name einen Nerv? Als die Riviera im April 2021 auf der Messe Watches & Wonders online vorgestellt wurde, war an freies Reisen nicht zu denken. Der Name weckt die Sehnsucht danach, in einem Sportwagen auf den Panoramastraßen zwischen der Côte d’Azur zu fahren und unbeschwert durch Saint-Tropez oder Antibes zu schlendern.

David Chaumet: Absolut. Ich denke, einer der besten Slogans, zu denen uns die Kollektion inspirierte, lautet: Man braucht keinen Reisepass, um die Riviera zu sehen, es genügt, aufs Handgelenk zu schauen (lacht). Der Name erinnert einen daran, wie es ist, mit der Familie und mit Freunden eine gute Zeit bei schönem Wetter am Meer zu verbringen, selbst wenn man gerade nicht so reisen kann wie man möchte. Ich war an Weihnachten an der Côte d’Azur und habe es sehr genossen, beim Mittagessen einen atemberaubenden Blick aufs Meer zu genießen, danach Golf zu spielen und dann zu einer kleinen Party zu fahren. Man kann an der Riviera schnell in den Vergnügungsmodus umschalten. Eine Riviera findet man an vielen Orten der Welt. Es gibt die französische und die italienische, aber auch die schweizerische Riviera (Ufer des Genfer Sees zwischen Montreux und Lausanne, Anm. d. Red). Überall ist die Riviera ein Ort, wo die Berge auf das Meer treffen. Die Riviera von Baume & Mercier stellte diese Begegnung visuell durch das Muster auf dem Zifferblatt dar.

Dresswatch mit viel Leistung unter der Haube: die elegante Clifton Baumatic. Foto: Imagie

FEATURE: Bislang war der Edelstahlklassiker eher unregelmäßig in der Kollektion vertreten. Ist die Riviera jetzt gekommen, um zu bleiben? 

David Chaumet: Ja, das ist sie. Sie ist ein Pfeiler der Baume & Mercier-Kollektion. Die Classima bietet ein puristisch-klassisches Design, die Clifton besticht durch hohe uhrmacherische Qualität, die Hampton überzeugt durch ihre Art-Déco-Form. Die Riviera zeichnet sich durch ihr noch kühneres Design aus. 

FEATURE: Ein unterhaltsames Small Talk-Thema bietet die Frage: Welcher Typ trägt welche Uhr? Welche Modelle sind bei Frauen, welche bei Männern beliebt? Wie sieht es bei der Hampton aus? Spricht sie mit ihrer Art-Déco-Eleganz eher Frauen an?  

David Chaumet: Wir starteten 1994 mit dieser Uhr im Art-Déco-Design der 1920er Jahre. Es gibt sie in drei Größen, wobei die kleinste sich eher an Frauen wendet. Das mittlere Format spricht Männer und Frauen an, während die großen Durchmesser von Herren bevorzugt werden. Heute sehen wir zwar einen starken Trend in Richtung kleinerer Größen. In manchen Ländern tragen Frauen jedoch unsere größeren Uhren mit farbigen Armbändern. Es entscheiden also weniger Genderfragen als persönlicher Geschmack. Meine Tochter zum Beispiel stibitzt mir manchmal meine Riviera (lacht). Immer wieder überraschen uns die Kunden mit ihren Präferenzen. In Asien sehen wir einen Trend zu größeren Uhren, in Europa und den Vereinigten Staaten nehmen wir eher das Gegenteil wahr: Eine Uhrenmarke muss heute viele Optionen anbieten, um jeden Kunden, jeder Kundin geben zu können, was er oder sie verlangt. 

Gruß aus der Zeit des Großen Gatsby: Die Hampton im Art-Déco-Look. Foto: Imagie

FEATURE: Wie sehen Sie die Positionierung von Baume & Mercier? 

David Chaumet: Baume & Mercier steht vom Preispunkt her für den Einstieg in die Welt der Schweizer Luxusuhren, für die Entdeckung ihrer hohen Qualität, und wir stehen für starkes, zeitgenössisches Design. Uhren wie die Riviera Baumatic oder die Clifton Baumatic mit Komplikationen sprechen aber auch Sammler an. Insgesamt bieten wir von der Classima mit Quarzwerk für 1000 Euro bis zur Clifton Baumatic in Roségold mit Ewigem Kalender für 26 000 Euro eine große Bandbreite.

FEATURE: 2018 stellte Ihr Unternehmen das hauseigene Baumatic-Automatikaliber mit Twin-Spir-Unruhspirale und Powerscape-Hochleistungshemmung vor. Es begeisterte die Experten. Welche Rolle wird das Baumatic-Kaliber in Zukunft spielen? 

David Chaumet: Auf dem Baumatic-Kaliber wird in den nächsten Jahren ein starker Fokus liegen. Wir werden es technisch weiterentwickeln und um Funktionen ergänzen, die für den Träger nützlich sind. 

FEATURE: Welche Pläne haben Sie mit der 2018 gegründeten Zweitmarke Baume?  

David Chaumet: Baume ist nicht mehr unsere Zweitmarke. Das war sie mal. Als ich anfing, entschied ich, sie in Baume & Mercier zu integrieren. Mit Baume sprechen wir, wenn nicht andere Kunden, so doch andere Kundenbedürfnisse an. Baume steht für Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Upcycling.

Ich freue mich sehr über die Zusammenarbeit mit dem jungen französischen Skater Aurélien Giroux. Mit ihm zusammen entwickelten wir die Baume Skate – Aurelien Giraud Special Edition. Ihr Gehäuse ist aus dem Holz von Auréliens ausrangierten Skateboards. Ihr Zifferblatt besteht aus originalem Grip Tape, wie es auf Skateboards zu finden ist. Dieser Zeitmesser verkauft sich sehr gut. Baume ist für das ganze Team eine Plattform für Freiheit und Kreativität. Wir können hier mehr wagen. Einige Ideen werden wir womöglich für andere Kollektionen von Baume & Mercier übernehmen.

Spielerisch und nachhaltig: Die Baume Skate – Aurélien Giraud Special Edition entstand in Kooperation mit dem französischen Skater-Champion. Das Zifferblatt besteht aus dem Antirutsch-Klebeband von Skateboards. Fotos: Guillaume Allantaz, B&M

FEATURE: Cartier hat die Solarbeat mit einem Photovoltaik-Antrieb ausgestattet. Können Sie sich vorstellen, dass auch Baume & Mercier Solar-Technologie einsetzt? 

David Chaumet: Wir suchen immer nach Innovationen, besonders nach solchen, die für den Träger nützlich sind. Das ist für uns das entscheidende Kriterium. Und das war der Sinn des Baumatic-Kalibers. Wir forschen immer an Innovationen und neuen Materialien.

FEATURE: Gibt es ein Ziel, das Sie auf jeden Fall verwirklichen wollen? 

David Chaumet: Wir haben in den letzten drei Jahren schon viel getan, um die Maison zu repositionieren und die Kollektion neu zu definieren. Wenn wir auf diesem Weg weitermachen, wird die Marke eine enorme Strahlkraft besitzen. Schon jetzt merken wir, dass die Verkäufe anziehen. Im letzten halben Jahr haben wir eine unglaubliche Entwicklung hingelegt. Wir stehen besser da als vor der Coronazeit. 

FEATURE: Wir bedanken uns für das Gespräch

© Holger Christmann