Hanhart

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Hanhart 417 ES, so hieß der erste Fliegerchronograph der Bundeswehr. Zu den Fans gehörte der Schauspieler Steve McQueen. In den sechziger Jahren geriet das Modell in Vergessenheit. Jetzt ist die Uhr wieder da. Über Geschichte und Rückkehr eines Klassikers.

VON HOLGER CHRISTMANN
5. August 2021
Die Neuauflage der Hanhart 417 ES. Foto: Hanhart

Mit dem Filmschauspieler Steve McQueen verbinden Uhrenfans vor allem die Marke TAG Heuer. Im Motorsportfilm Le Mans trug McQueen 1971 die damals neue Heuer Monaco – jene auffallende rechteckige Uhr, die auch innen revolutionär war, denn sie wurde von einem der ersten Automatikchronographen angetrieben. Der Chef des Schweizer Herstellers, Jack Heuer, entsandte den späteren Chronoswiss-Gründer Gert-Rüdiger Lang zu den Dreharbeiten an die Rennstrecke, um McQueen mit dem Chronographen und die Setdesigner mit Logos und anderem Werbematerial zu versorgen.

Der Schauspieler Steve McQueen 1962 mit Pumafell-Vorleger und der Hanhart 417 am Handgelenk. Foto: William Claxton

Steve McQueen war der richtige Mann für die Heuer Monaco, denn er liebte auch privat Uhren. Ein Modell, das er häufig am Handgelenk trug, war der Chronograph 417 (oder 417 ES) des deutschen Herstellers Hanhart. McQueen trug die Uhr 1962 im Kriegsfilm The War Lover (deutsch: Wir alle sind verdammt). Der leidenschaftliche Motorradfahrer nahm das robuste Modell auch zu Motorsportevents mit: so 1964, als er dem ersten amerikanischen Team angehörte, das im Ostblock an einer Motocross-Rallye teilnahm. Im thüringischen Erfurt gastierte damals die Internationale Sechstagefahrt (ISDT). McQueen ging mit einer 750er Triumph TR 6 SC an den Start. Ein Fotograf des französischen Magazins Paris-Match, François Gragnon, begleitete den Star auf seinem Ausflug hinter den Eisernen Vorhang. Auf dessen Fotos trägt McQueen zum einen erkennbar eine gewachste Baumwolljacke, Modell Trialmaster, des italienischen Herstellers Belstaff. Im Jahr zuvor hatte der Modehersteller den Star für den Film Gesprengte Ketten mit der wetterfesten Outdoor-Kluft ausgestattet. Unter dem linken Ärmel blickt auch mehrfach gut erkennbar die Hanhart-Uhr hervor.

Eine Aufnahme des Life-Fotografen John Dominis dokumentiert, wie selbstverständlich McQueen im Alltag den Flieger-Chronographen aus Deutschland vorführte. Dominis fotografierte den King of Cool im Mai 1963 dabei, wie er in seinem Haus in Palm Springs das Zielen mit einem Revolver simuliert. Auch hier hatte der Filmstar den Hanhart-Chronographen ums Handgelenk gebunden.

Für uns enthüllt
Felix Wallner
das Vorbild für die
neue 417 ES

Wie Steve McQueen auf die Uhren von Hanhart aufmerksam wurde, darüber geben die Firmenarchive keine Auskunft. Fehlende Vertragsunterlagen deuten darauf hin, dass der Schauspieler sich die Uhr bei einem Händler selbst gekauft hatte oder sie ihm geschenkt wurde.

Die Entwickler aus dem Schwarzwald rekonstruierten das Design der ursprünglichen 417 ES. Zu den charakteristischen Merkmalen gehören die kannelierte Lünette mit dem roten Positionsmarker, das Zifferblatt-Layout im Bicompax-Look und der historische Hanhart-Schriftzug. Foto: Hanhart

Unter Wilhelm Julius Hanhart hatte sich das Unternehmen aus dem Schwarzwald, das damals in Schwenningen zuhause war und heute in Gütenbach ansässig ist, seit den 1920er Jahren einen Ruf als Produzent günstiger Stoppuhren für Sportveranstaltungen erworben. Im Zweiten Weltkrieg produzierte Hanhart Fliegeruhren für den Kriegseinsatz, aber auch Zünder für Torpedos. Nach Kriegsende ermöglichten Aufträge der für das neue Bundesland Baden-Württemberg zuständigen französischen Militärregierung die Wiederaufnahme der Uhrenproduktion. Als die Bundesrepublik ab 1956 wieder eine eigene Luftwaffe besaß, belieferte Hanhart die Piloten mit dem Fliegerchronographen 417. Er war in zwei Versionen erhältlich: als 417 E im mattverchromten Messinggehäuse und als 417 ES Flyback im Edelstahlgehäuse. Im Innern tickte das Hanhart-Kaliber 42, ein Schaltradkaliber mit Temposchaltung (heute als Flyback bekannt) und Handaufzug. Das Modell 417 war der erste Fliegerchronograph der Bundeswehr. Produziert wurde das Modell jedoch nur von 1957 bis 1963. Danach verlagerte Hanhart seinen Schwerpunkt auf günstige Handstoppuhren und gab vorübergehend die Produktion von Fliegeruhren auf.

Die Entdeckung dieses seltenen Flyback-Chronographen bei einem Berliner Online-Händler gab Hanhart den entscheidenden Anstoß für die Neuauflage der 417 ES. Foto: Hanhart

Die Idee, den Uhrenklassiker wiederaufzulegen, kursierte schon länger in Gütenbach. Den letzten Anstoß gab eine Entdeckung auf der Website des Berliner Online-Händlers Shuck the Oyster, der spezialisiert ist auf Vintage-Uhren. Der Händler hatte einen „extrem seltenen Vintage-Flyback Chronographen“ von Hanhart aus den fünfziger Jahren im Angebot. Er war ausgestattet mit dem Kaliber 41 und versehen mit der Widmung „Weihnachten 1956“. Hanhart-Chef Felix Wallner gefielen unter anderem die ungewöhnlichen Kanneluren. Er fragte sich, „wieso wir so eine schöne Uhr nicht im Angebot haben“. Wallner merkt an, dass er diese Hintergründe erstmals verrät. Es hatte aber vorher auch noch niemand nachgefragt. Kurzum: Die Neuauflage war nun beschlossene Sache. Im Oktober 2020 war es soweit.

Die persönliche Widmung Weihnachten 1956 war auch ein Hinweis auf das Baujahr der Uhr. Foto: Hanhart

Seither ist der Bundeswehr-Fliegerchronograph also wieder auf dem Markt. Sein Design entspricht weitgehend dem des historischen Vorbilds: Das gilt für das Zifferblatt-Layout, die kannelierte Lünette, die sich in beide Richtungen stufenlos drehen lässt, die rote Positionsmarkierung und die historischen Schriftzüge. Beibehalten wurde auch das Prinzip des Handaufzugs.

In der neuen 417 ES arbeitet ein Handaufzugskaliber des Schweizer Zulieferers Sellita, das SW510 M. Zur Ausstattung des Zwei-Drücker-Chronographen gehören ein 30-Minuten-Zähler bei drei Uhr, der 60-Sekunden-Zähler bei neun Uhr und die zentrale Stoppsekunde. Nach Vollaufzug läuft die Uhr 58 Stunden. Die Neuauflage ist anders als ihr Vorbild wasserdicht. Sie hält einem Druck von bis zu zehn Bar stand. Eine Runde schwimmen sollte mit ihr kein Problem sein. Mit 42 Millimetern Gehäusedurchmesser fällt die Neuauflage einen Tick größer aus als das 39 Millimeter breite Vorbild. Die Zeit wird durch gewölbtes Saphirglas abgelesen. Superluminova-Leuchtmasse sorgt dafür, dass sie auch im Dunkeln gut erkennbar ist. Ähnlich wie in der Uhr von Shuck the Oyster markiert an den Bandanstößen eine scharf gezogene, auf Hochglanz polierte Fase den Übergang von den satinierten Hörnern zum Gehäuse. Erhältlich ist der zum Glück nicht vergessene Klassiker unter den Fliegerchronographen für 1790 Euro.

© Holger Christmann

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