Auto & Design

Der Glanz der
rollenden Skulpturen

Das Guggenheim Museum Bilbao feiert sein 25jähriges Bestehen mit einer Ausstellung über die Geschichte des Automobils. Kuratiert hat sie der Stararchitekt Norman Foster. Die Schau wagt auch einen Ausblick auf die Zukunft der Mobilität. Hauptattraktionen sind jedoch die schnittigen Sportwagen aus den heroischen Zeiten des Automobils.

VON HOLGER CHRISTMANN
12. August 2022
Der Pegaso Z-102, Cúpula von 1952 wurde in Spanien produziert und war der schnellste Sportwagen seiner Zeit. Das Heckfenster hat die Form einer Kuppel. Foto: Louwman Museum, Den Haag

Wer die Wahrnehmung des Automobils in unserer Zeit analysiert, der sieht sich von Widersprüchen umgeben. Auf der einen Seite droht dem Verbrenner-Auto das Ende und tritt die Autoindustrie die Flucht nach vorn in die rohstoffintensive, aber CO2-arme E-Mobilität an. Auf der anderen Seite ist die Formel 1 beim Publikum beliebt wie nie und erzielt Rekordumsätze, von denen ihre umweltfreundliche kleine Schwester, die batteriegetriebene Formel-E, nur träumen kann. Hersteller preisen die Mobilität von morgen an, gleichzeitig haben schicke Oldtimer-Events Konjunktur. Es scheint, als wachse die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten, je näher ihr vermeintliches Ende rückt. Das zeigt auch eine Ausstellung, mit der das Guggenheim Museum Bilbao seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag feiert. Kuratiert hat sie der Stararchitekt und Autosammler Lord Norman Foster. Motion – Autos, Art, Architecture lautet der Titel der Schau. Foster überredete Sammler aus Europa und den Vereinigten Staaten, außergewöhnliche Classic Cars einzufliegen. Auch der Starkurator stellt in Bilbao Schätze aus seiner Sammlung vor. Darunter sind historisch bedeutende Fahrzeuge wie die Voisin C/ Lumineuse (1925), der Chrysler Airflow (1934), der Tatra T 87 (1948), ein Bentley R-Type Continental, ein Porsche 356 Pre-A (1950) und ein Jaguar E-Type (1961). 

Anfangs war auch
der E-Motor im Rennen

Foster erklärt: „Ich bin seit langem fasziniert von der Schönheit der Maschinen, die sich fortbewegen – von Flugzeugen, Fahrrädern, Automobilen und Lokomotiven bis hin zu Schiffen, Raumfahrzeugen und Zeppelinen. Sie beflügeln meine Vorstellungskraft auf die gleiche Weise, wie mich große Worte der Architektur, der Malerei und der Bildhauerei inspirieren.“ Sie seien mit einem Wort des Kurators Arthur Drexler wie rollende Skulpturen. Foster erinnert sich an einen befreundeten Künstler, „der mit seiner Hand über den hinteren Kotflügel meines 1953er Bentley R Type Continental fuhr und erklärte, es sei, als würde man über ein Werk von Constantin Brancusi oder Henry Moore streichen.“

Die künstlerische Designqualität herausragender Automobile erkannten schon frühere Generationen. Der Kunsthistoriker Herbert Read notierte 1934: „Die unerwartetsten Objekte erlangen eine abstrakte Schönheit. Das Auto ist das offensichtliche Beispiel.“ 1951 stellte schon einmal ein Architekt, Philip Johnson, damals am MoMA zuständig für Architektur, in der Ausstellung 8 Automobiles erstmals Autos als Designobjekte im Museum aus.

Wer heute Autos rein ästhetisch betrachtet, müsste sich wohl anhören, dass das Auto nicht mehr unschuldig betrachtet werden kann – siehe CO2-Bilanz. Die Ausstellung umschifft das Thema elegant. Gleich zu Anfang erinnern die Ausstellungsmacher daran, dass die Motorisierung um 1900 als Erlösung von verschmutzten Städten begrüßt wurde, die von Pferdedung übersät waren, der Fliegen anzog und Krankheiten übertrug. Es war jedoch nicht sicher, dass sich der Verbrennermotor durchsetzen würde, der störanfällig war und mühsam von Hand in Gang gesetzt wurde. Auf den Straßen New Yorks waren mehr batteriebetriebene Autos unterwegs als Benziner. Die meisten Gefährte waren Dampfkraftwagen, die mit Wasser und Brennstoffen wie Kohle und Koks angetrieben wurden.

Der Architekturkritiker Jonathan Clancey schildert, welche Faktoren für den Durchbruch des Verbrennungsmotors sorgten: 1911 erfand Charles Kettering 1911 für General Motors den elektrischen Anlasser. Der machte das Ankurbeln des Motors von Hand überflüssig. Der zweite Erfolgsfaktor war die Leichtigkeit der Fahrzeuge. Während allein die Batterie des Lohner-Porsche Phaeton von 1900 410 Kilogramm wog, war der 0,75 PS starke Einzylinder-Viertaktmotor des Patent-Motorwagens von Carl Benz viermal so leicht. Zugute kamen dem Verbrennermotor auch Innovationen in der Luftfahrt: 1903 baute Charlie Taylor, ein amerikanischer Ingenieur, zwei Benzinmotoren mit je zwölf PS und einem Gewicht von nur achtzig Kilogramm für den Wright Brother’s Flyer, das erste Flugzeug der Welt, das schwerer als Luft war. 

Norman Foster kurierte die Ausstellung im Guggenheim Museum Bilbao. Er sagt: „Autos beflügeln meine Vorstellungskraft auf die gleiche Weise, wie mich große Werke der Architektur, Malerei oder Bildhauerei inspirieren.“

Henry Ford sorgte mit einer neuen Produktionsmethode für den Siegeszug des Verbrenners. „Fords robustes, leicht zu fahrendes, sechzig Stundenkilometer schnelles Modell T kam 1908 zum Preis von 840 Dollar auf den Markt (was 2022 etwa 25 000 Dollar entspricht) – ein Drittel des Preises eines Elektroautos zu dieser Zeit“, schreibt Clancey. Fünf Jahre später begann Ford in Highland Park, Michigan, mit der Massenproduktion des Model T am Fließband. Das damals nur in schwarzer Farbe erhältliche Auto wurde aus austauschbaren Teilen in vierundachtzig klar definierten Schritten zusammengebaut. Der Vorgang dauerte dreiundneunzig Minuten. Die Produktion lief rund um die Uhr in drei Acht-Stunden-Schichten. Der Preis des Endprodukts sank. 1924 wurde ein neues Model T für nur 260 Dollar verkauft (was heute etwa 4000 Dollar entspräche). Das Auto für alle war geboren.

Architekten liebten das Automobil

Der wirtschaftliche Aufschwung der 1920er Jahre sorgte dafür, dass sich eine wachsende Mittelschicht Autos leisten konnte. Auto-Begeisterung erfasste die Gesellschaft – auch Architekten, Künstler und andere kritische Köpfe feierten das Automobil als Beginn einer neuen Ära der Mobilität. In seiner Schrift Vers une architecture (1923) propagierte Le Corbusier eine neue Epoche des Bauens, die die Tugenden griechischer Tempel und gotischer Kathedralen mit denen des Flugzeugs und des Autos verband. Der selbst besaß  die Voisin C7 Lumineuse, eine Luxuskarosse, die der Flugzeugingenieur Gabriel Voisin produzierte, der im Krieg mit dem Bau von Militärflugzeugen ein Vermögen gemacht hatte und nun seine Fabriken auf Autos und zivile Flugzeuge umstellte.

Voisin finanzierte Le Corbusiers Plan Voisin (1925), ein Projekt, das den Umbau des Pariser Nordens in eine Welt von Hochhäusern vorsah, die von Dachgärten gekrönt und von Hochgeschwindigkeitsautobahnen durchzogen waren. Der Modernist schwärmte: „Wenn es Nacht wird, hinterlässt der Autoverkehr auf der Autostrada leuchtende Spuren, die wie die Schweife von Meteoren sind, die am Sommerhimmel aufblitzen.“ 1936 entwarf der Architekt zusammen mit seinem Cousin und Kollegen Pierre Jeanneret selbst ein Auto, die Voiture Minimum. Der kantige Entwurf konnte jedoch die Hersteller nicht überzeugen.

Der Alfa Romeo BAT 7 von 1954 war in seiner Extravaganz und Aerodynamik bahnbrechend. Entwickelt hatte das Concept Car Franco Scaglione. Gefertigt wurde es von der legendären Carrozzeria Bertone in Turin. Foto: Rob and Melanie Walton Collection

Auch andere Architekten versuchten sich als Autodesigner. Frank Lloyd Wright versuchte, jedes Modell zu kaufen, das auf den Markt kam. Er besaß einen Packard, einen Cord, einen Lincoln Continental und einen Mercedes-Benz 300 SL. Im Jahr 1920 skizzierte er eine Karosserie mit ausladendem Dach, schrägem Kühler und Fenstern mit Brise-Soleil-Lamellen. In den 1950er Jahren entwarf er ein dreisitziges Stadttaxi mit zwei großen, vom Motor angetriebenen Rädern und einzelnen kleineren Rädern vorne und hinten, um die Manövrierfähigkeit des Gefährts zu erleichtern.

Buckminster Fuller entwarf 1933 sein Dymaxion-Auto. Es konnte bis zu elf Personen befördern und war 193 km/h schnell. Nur drei Fahrzeuge sind erhalten. Norman Foster ließ dieses Dymaxion Car 2010 nachbauen. Foto: Foster Family Collection

Adolf Loos schlug 1923 ein Autodesign vor, das auf einem Lancia-Lambda-Fahrgestell in Monocoque-Bauweise fusste. Walter Gropius entwarf für die deutsche Firma Adler die Luxuskarossen Favorit und Standard, Cabriolets und Limousinen, die Anfang der 1930er Jahre gebaut wurden. Sie hatten verchromte Kühler und – als architektonische Besonderheit – Sitze, die zu Schlafsesseln umgebaut werden konnten.

Der amerikanische Architekturvisionär Richard Buckminster Fuller stellte 1933 sein dreirädriges Dymaxion-Auto vor. Es war bis zu 193 km/h schnell, fasste elf Insassen und verbrauchte nur 7,8 Liter auf hundert Kilometer. Ein Unfall auf einer Ausstellung, dessen Ursache ungeklärt blieb, veranlasste Investoren, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Heute existieren weltweit nur noch drei erhaltene Exemplare des exzentrischen Gefährts auf drei Rädern. Norman Foster ließ sich eines nachbauen. Die Rekonstruktion ist in der Ausstellung zu sehen.

Das Schicksal des
Showrooms von
Frank Lloyd Wright

Das Auto brachte Architekten auch neue Bauaufträge: von Firmenzentralen über Niederlassungen bis zu Motels und Tankstellen. Der finnische Architekt Eero Saarinen baute in den 1950er Jahren für General Motors in Warren, Michigan, das GM Technical Center. Auf dem weitläufigen Campus rund um einen künstlich angelegten See entwickelten seither Designer und Ingenieure die neuen Automodelle. Schnörkelloser Modernismus, gepaart mit hochwertigen Materialien und eigens für das Gebäude designten Möbeln, machten Saarinens Anlage zu einer Ikone des Internationalen Stils. Sein Design Dome wurde zum Pantheon der Industriearchitektur.

Frank Lloyd Wright entwarf an der New Yorker Park Avenue den Showroom für Max Hoffman, einen aus Österreich stammenden Importeur von Luxusautos. Zuerst war dort nur ein einziges Auto ausgestellt, ein Delahaye Coupé mit einer Karosserie der französischen Firma Figoni et Falaschi, die auch für Bugatti und Duisenberg Fahrzeughüllen baute, später verkaufte Hoffman hier Autos von Jaguar, Porsche, Mercedes und BMW. Herz des Gebäudes war eine spiralförmige Rampe. Die hatte der Architekt schon 1925 für das nie verwirklichte Projekt des Gordon Strong Automobile Objective entworfen, einer Art Planetarium, das auf dem Gipfel des Sugarloaf-Berges in Maryland stehen sollte. 1959 trieb Wright beim Bau des Solomon R. Guggenheim Museum in New York die Spirale zur Vollendung. Sein Showroom für Max Hoffman an der Park Avenue stand bis April 2013, als nach dem Auszug von Mercedes ein neuer Investor das Architekturdenkmal mit Genehmigung der städtischen Behörden abreißen ließ.

Ikone der Auto-Architektur: Das Technische Zentrum von General Motors in Warren, Michigan, von Eero Saarinen. Foto: Ezra Stiller

Die Schau in Bilbao erinnert an den österreichischen Aerodynamiker Paul Jaray, den Vater des stromlinienförmigen Autodesigns. Ein Modell, das aus seinen Windkanalversuchen hervorging, wird in der Ausstellung Constantin Brancusis Fish-Skulptur gegenübergestellt, der sie in ihren fließenden Formen ähnelt.

Jaray war an der Entwicklung der Luxuslimousinen des tschechischen Herstellers Tatra beteiligt. Die Tatras wurden ebenso verehrt wie die Autos Ettore Bugattis. Jonathan Clancey erinnert in einem Katalogaufsatz an den 1934 entwickelten Chrysler Airflow, dem Versuch, eine amerikanische Stromlinien-Limousine für die Massenproduktion zu entwerfen.

Erinnert wird auch an den vergessenen Österreicher Josef Ganz, einen Ingenieur und Autokritiker jüdischer Herkunft. Er entwarf den sogenannten Maikäfer, der Adolf Hitler auf die Idee zu einem käferförmigen Volkswagen brachte. 

Die Futuristen waren ständig auf Speed

Poeten und Künstler gehörten zu den ersten, die spürten, welche Bedeutung die motorisierte Revolution zu Land, zu Wasser und in der Luft hatte. Die Leidenschaft der Futuristen für Speed und Adrenalin begann mit einem Autounfall: Der Corriere della Sera berichtete am 15. Oktober 1908, dass der junge, vermögende Dichter Filippo Tommaso Marinetti mit seinem neuen Isotta Fraschini (Typ BN30/40HP) einem Radfahrer ausweichen musste. Der Wagen überschlug sich in einem Graben, und Marinetti, der am Steuer saß, und sein Chauffeur, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, landeten beide unter dem Wagen. Männer und Maschine kamen mit leichten Blessuren davon. Vier Monate später verklärte Marinetti seinen Unfall zu einem mythischen Ereignis, der Geburt des Futurismus: „Wir bekräftigen, dass die Schönheit der Welt um eine neue Form der Schönheit bereichert wurde, die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Motorhaube mit großen Rohren verziert ist, die wie Schlangen mit explosivem Atem aussehen, ein röhrender Wagen, der auf einer Schrotflinte zu fahren scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.“ Marinettis flammender Aufruf begeisterte auch drei junge Maler aus Mailand: Umberto Boccioni, Carlo Carrà und Luigi Russolo. Die Darstellung von Geschwindigkeit wurde das beherrschende Thema ihrer Bilder.

Der Ferrari 250 GTO von 1962. Der für den Renneinsatz gebaute Sportwagen ist mit 48,4 Millionen Dollar das teuerste Classic Car aller Zeiten. Foto: Guggenheim Bilbao

Auch die Mode änderte sich unter dem Einfluss des Automobils. Frisuren, Hüte, Rücke und Absatzlängen waren in den 1920er Jahren so geschnitten, dass Frauen sich frei bewegen konnten, ob am Steuer oder auf dem Tanzparkett. Auf dem Cover der Vogue, illustriert von Georges Lepape, stand die Künstlerin Sonia Delaunay 1925 lässig an ein Auto gelehnt. 

Eine eigene Abteilung der Schau feiert die Bedeutung des Motorsports. Zu sehen sind hier der Porsche 356 Pre-A und der Jaguar E-Type (1661), beide aus Norman Fosters Sammlung, ein Ferrari 250 GTO (1962) und der Aston Martin DB 5 James Bond (1964) aus der Schweizer Sammlung Fritz Burkard.

Concorso-Jurys lieben Sportwagen

Der Motorsport-Enthusiast und Gründer des Goodwood-Festivals, Charles Gordon-Lennox, 11. Duke of Richmond and Gordon, erzählt in einem lesenswerten Katalogbeitrag, dass Enzo Ferrari für Straßenautos nichts übrig hatte. Er sah sie nur als Einnahmequelle für seine Rennsport-Ambitionen. Die frühen Ferraris hätten daher die Neigungen ihres Erfinders nicht verleugnen können. Beim 250 GTO von 1962, dem teuersten Sportwagen der Welt, sei seit jeher fraglich gewesen, ob es sich um ein Straßenauto für Autorennen gehandelt habe oder um einen Rennwagen, der kleine Kompromisse für die Nutzung im Alltag machte. Letzter alltagstauglicher Rennwagen war der Ford GT 40, der viermal in Folge das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann, von 1966 bis 1969.

Der Transfer von Design und Technologie sei noch in den sechziger Jahren in beide Richtungen gegangen, schreibt Gordon-Lennox. Heute seien Rennwagen gar nicht mehr straßentauglich. Dafür seien sie zu leicht und zu fragil. Mit dem Lamborghini Miura, schreibt Gordon-Lennox, sei 1966 eine neue Gattung geboren, das Supercar. Der Miura sei „schrecklich zu fahren gewesen“ und nicht besonders schnell, aber er habe einem „ein Gefühl der Dramatik“ gegeben, „das kein anderes Auto bieten konnte“. 

Firebird hießen die drei Concept Cars, die General Motors seit 1953 vorstellte. Publikumsliebling war vor allem der Firebird I, der geformt war wie eine Rakete. Sein neuartiger Gasturbinenmotor produzierte stolze 370 PS. Foto: Rodney Morr, General Motors

Gordon-Lennox, der selbst viele Male in der Jury des Concorso d’Eleganza saß, einem der führenden Schönheitswettbewerbe für Vintage Cars, bemerkt, dass Jurys ein Faible für Sportwagen hätten. Im Zweifelsfall gewinne jedesmal die Rennmaschine den Pokal. 

Bei der Frage, welcher der schönste Sportwagen aller Zeiten ist, gehen die Meinungen auseinander: Für manche ist es der 1954er Mercedes Benz 300 SL, für andere der Ferrari 250 GTO. „Die spektakuläre Vollaluminium-Karosserie des GTO – perfektioniert mit Hilfe von Windkanal-Tests an der Universität von Pisa – hat eine unverwechselbare lange, niedrige, geschwungene Nase und stark stilisierte Lufteinlässe“, schwärmt ein Experte. Enzo Ferrari bezeichnete den Jaguar E-Type als das schönste Auto, das je gebaut wurde. „Die kräftige Ausbuchtung in der Mitte der Motorhaube von Sir Malcolm Sayers großartigstem Entwurf, die nahtlose Integration der Scheinwerfer und die Verjüngung der Front in den Lufteinlass ohne Kühlergrill haben alle eine fließende Form, die auch im Stillstand Bewegung suggeriert“, schreibt Matthew Foreman, ein ehemaliger Partner von Norman Foster.

Ed Ruscha, Standard Station, 1966. Tankstellen baute auch der Kurator der Schau, Lord Foster, zum Beispiel für den spanischen Erdölkonzern Repsol. Foto: Ed Ruscha

Autos sind immer auch ein Ausdruck des Zeitgeists. Der Cadillac Eldorado Biarritz von 1959 stand mit seinem gebürsteten Aluminium im Innenraum, juwelenartigen Kühlergrillmustern und Turbinenradabdeckungen für den Optimismus der Epoche. Von diesem Optimismus scheint heute nicht mehr viel übrig.

Die Kunst hatte lange weiter ein Auge für das Automobil. Die Fotos Ed Ruschas von Tankstellen entlang der Route 66 im Jahr 1962 zeigten, wie Autos und Highways die Landschaft prägten. Pop-Art-Künstler gestalteten Art Cars für BMW. Abgesehen von solchen Initiativen der Autohersteller, scheint das Auto für die meisten Künstler heute kein positiver Motor des Zeitgeists zu sein. Kaum ein Künstler versteht es, die Aufregung, den Rausch und den Prunk des Motorsports in unvergessliche Bilder zu verwandeln. Eine Ausnahme ist Andreas Gurskys fotografische Serie Pit Stop (Boxenstopp), 2007. 

Andreas Gursky, F1 Pit Stop I  (F1 Boxenstopp I), aus der gleichnamigen fotografischen Serie von 2007.  Foto: Marc Domage

Motion: Autos, Art, Architecture wirft auch einen Blick in die Zukunft: Forschungsinstitute in Zürich, Pasadena, Mailand, London, Delft und Tokio wurden eingeladen, Visionen für die Mobilität von morgen zu entwerfen. Ob den Ökosystemen die Zukunft gehört, in denen das Auto nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, oder ob unter dem Eindruck der Pandemie die eigenen vier Wände auf Rädern ihre Bedeutung behalten werden, darin sind sich die Forscher nicht einig. Keine der Animationen entfaltet den Appeal der aufreizend attraktiven Karossen von einst mit ihren röhrenden Motoren, die von Zeiten erzählen, als das Fahren rassiger Sportwagen Teil eines beglückendes Lebensgefühl war und eine schöne Kunst. Zu diesem Lebensgefühl gehörte auf der Rennstrecke auch die Freiheit, sich in Gefahr zu begeben und sie durch fahrerisches Können zu beherrschen. Oder wie der mehrfache Grand-Prix-Sieger Jackie Ickx es ausdrückt: Es war die Zeit, als der Sex sicher und das Rennfahren unsicher war, während es sich heute umgekehrt verhält.

Die Ausstellung erinnert aber auch daran, dass das Automobil ein mächtiges Symbol von Freiheit, Selbstbestimmung und Emanzipation und ein Ausdruck des eigenen Stils und der eigenen Persönlichkeit war. Es steht auch für erstaunliche technische und kulturelle Leistungen, die das 20. Jahrhundert prägten. Das nicht zu vergessen, gelingt der Schau in einer Zeit, da einem zu Autos alles Mögliche einfällt, aber nicht mehr, dass sie rollenden Skulpturen ähneln.

Motion: Autos, Art, Architecture, kuratiert von Norman Foster. Guggenheim Bilbao. Bis 18. September 2022

© Holger Christmann